v.n.z.n Christian Noll

Der Auftrag

Als er aufwachte war es dunkel im Zimmer. Das einzige Licht kam durch den schmalen Spalt unter der Tür. K versuchte auf die Geräusche zu achten, konnte aber außer dem leisen Rauschen der medizinischen Geräte nichts hören. Er überlegte, ob er schon operiert wurde. Um sich zu vergewissern tastete er nach seinem Hinterkopf, konnte aber nichts ungewöhnliches feststellen. K versuchte wieder einzuschlafen, fand aber keine Ruhe. Er wurde wieder von Zweifeln geplagt, ob die Entscheidung für die Operation wirklich richtig war. Was wenn etwas bei der Operation schief geht? Auszuschließen war das nicht, denn es handelte sich um eine ganz neue Technologie. Sofort fiel ihm aber wieder ein, warum er bereit war dieses Risiko einzugehen.

Alles begann damit, dass er mit Freunden an der Küste wandern ging. An dem entscheidenden Tag war es sehr windig und sie wanderten auf einem Pfad entlang der Klippen der Steilküste, der für Touristen eigentlich gesperrt war.

Er war einige Meter hinter seiner Gruppe, da er den Blick über das Meer noch genießen wollte. Als K merkte, dass er den Anschluss an seine Freunde verloren hatte, beeilte er sich, um wieder aufzuschließen. Dabei musste er wohl zu dicht an den Rand gekommen sein, denn eine plötzliche Windböe erfasste ihn und ohne genau zu wissen was passierte, stürzte K über den Rand und landete, wie durch Zufall auf einem kleinen Vorsprung. Da er nur ungefähr ein Meter tief gefallen war, machte es ihm keine großen Schwierigkeiten den Rand der Klippen zu erklimmen. Eigenartigerweise fühlte er in diesem Moment nur eine große Peinlichkeit und so vergewisserte er sich schnell, dass niemand seinen Sturz beobachtet hatte. Auch später hatte er keinem seiner Freunde etwas von diesem Vorfall erzählt.

In den ersten Jahren nach diesem seltsamen Erlebnis hatte K nur selten daran zurückgedacht. Mit zunehmenden Alter beschäftigte ihn sein Sturz aber immer mehr. Die Frage danach, ob es Zufall war, dass er den Sturz so glücklich überlebt hatte, oder doch Bestimmung, wurde für ihn immer mehr zu einer Obsession.

Eigentlich war K kein religiöser Mensch, aber er fragte sich immer wieder, ob es nicht doch Bestimmung war, dass er noch lebte. Vielleicht gab es einen Grund für den Sturz und sein Überleben. Was wenn er noch für eine wichtige Aufgabe, eine Mission ausersehen war? Aus diesem Grund suchte K überall nach Zeichen für einen Auftrag an ihn, nach einer Offenbarung. Gelegentlich war er auch schon überzeugt, so ein Zeichen entdeckt zu haben, doch am Ende stellten sich alle als Irrtum heraus.

Er schöpfte wieder Hoffnung, als er von der Suche nach Freiwilligen für die Transplantation eines neu entwickelten Neurochips hörte. Damit dachte er, sollte es für ihn möglich sein, dass entscheidende Signal oder Zeichen zu empfangen, um seine Mission zu finden.

Nachdem K am Morgen in den Operationsaal gebracht wurde und das Anästhetikum langsam zu wirken begann, hörte er wie aus der Ferne, eine leise Stimme: "Dein Auftrag war es zu leben".

Archiv